Joel Meyerowitz: Die Lizenz zu sehen
Joel Meyerowitz gehört zu den einflussreichsten Fotografen der Gegenwart. Als Streetfotograf in New York gestartet, hat sich der Pionier der Farbfotografie im Laufe seiner Karriere immer wieder neu erfunden. In "Die Lizenz zu sehen"* gibt er Eigenblicke in seinen kreativen Prozess und verrät, wie außergewöhnliche Bilder gelingen.
Das wahre Leben: Rau, ungeschminkt – und poetisch
Von einem Moment auf den anderen war ihm klar: Ich möchte Fotograf werden. Die Begegnung 1962 mit Robert Frank war derart intensiv, dass sie zum Wendepunkt im Leben von Joel Meyerowitz wurde. Und das, ohne bei dem Termin für ein Anzeigen-Shooting ein einziges Wort mit dem legendären Autor von "The Americans"* zu wechseln. "Robert Frank hat nichts gesagt. Dennoch hat er mich tief beeindruckt", erinnert sich Meyerowitz: "Anschließend habe ich die Welt mit anderen Augen gesehen. Überall sah ich Bewegung und Farbe."
Seinen Job in einer Werbeagentur kündigte er noch am gleichen Tag, um sich fortan ganz der Fotografie zu widmen. Ein Sprung ins kalte Wasser, der allerdings aus voller Überzeugung geschah. Meyerowitz stürzte sich mit seiner Kamera ins pralle Leben auf den Straßen New Yorks und wurde zu einem herausragenden Beobachter des Alltäglichen. Er lernte, flüchtige Momente zu erkennen und sie als visuelle Poesie zu verewigen.
Einblicke in die Gedanken des Meisterfotografens
Wie er seinen fotografischen Blick schulte und was er über die Jahre gelernt hat, teilt Meyerowitz in dem kleinen Büchlein "Die Lizenz zu sehen" (Laurence King Publishing). Egal, wo man sich aktuell in der eigenen Fotografie befindet – die 20 Tipps.
Meyerowitz zeigt, dass man für außergewöhnliche Fotos nicht an außergewöhnlich Ort reisen muss. Egal wo man sich befindet: Worauf es ankommt ist, die eigene Wahrnehmung zu trainieren. Absurde Augenblicke, schlichte Schönheit oder magische Momente – die Welt vor der eigenen Haustür bietet eine unerschöpfliche Fülle von reizvollen Motiven. Sie zu erkennen, erfordert ein aktives Studium menschlichen Verhaltens und Vertrauen in den eigenen Instinkt.
Humanist und Poet mit der Kamera
Im Laufe seiner Karriere hat es Meyerowitz immer wieder vorgemacht. Sein humanistischer Ansatz, der empathische Blick auf die menschliche Natur, sind in seinen Bildern stets präsent. Er setzt sich der Welt aus, taucht in sie hinein und wird mit Bildern von Szenen belohnt, die die meisten achtlos an sich haben vorbeiziehen lassen.
Das Buch ist voller Impulse, wie man eine eigene Bildsprache entwickelt und den Künstler in sich entdeckt. Neben praktischen Tipps zum "Wie", beschäftigt sich Meyerowitz auch mit dem "Warum". Denn je genauer man weiß, warum man mit der Kamera einzelne Augenblicke aus dem Fluss der Zeit herauspickt, umso klarer kann man mit seinen Fotos kommunizieren. Fotografie kann uns helfen, uns selbst und die Welt um uns herum besser zu verstehen. Und wir können unsere Sicht mit anderen teilen.
Einladung, die Welt mit anderen Augen zu sehen
Meyerowitz lädt ein, den Zauber der Fotografie in all seinen Facetten zu erleben. Er mahnt einerseits dazu, nicht allzu streng sich selbst gegenüber zu sein. Es hilft, sich dem Rhythmus der Straße hinzugeben, nicht zu verkopft vorzugehen und stattdessen auf seinen Instinkt zu hören.
Andererseits betont Meyerowitz aber auch, dass unermüdlicher Einsatz nötig ist, um Meisterschaft zu erlangen. Der Satz des Golfers Gary Player trifft auch auf die Fotografie zu: "Je mehr ich trainiere, desto mehr Glück habe ich."
Die Lektüre von Meyerowitz' Buch bietet die beste Motivation, sich in die Praxis zu stürzen. Genauso, wie Robert Frank einst mit seiner bloßen Art in Joel Meyerowitz die Leidenschaft für die Fotografie weckte, so sind die Worte in "Die Lizenz zu sehen" ebenso dazu in der Lage, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Wer sie beherzigt, wird die Welt garantiert mit anderen Augen sehen – und künftig intensivere Bilder machen.
Über Joel Meyerowitz
Zusammen mit William Eggleston und Stephen Shore gehört Meyerowitz zu den Pionieren, die die Farbfotografie auch in der Kunstwelt salonfähig machten. Mitte der 1970er vollzog Meyerowitz dann den Wechsel weg von der Street Photography hin zu Landschaftsfotografie mit Fine-Art-Look.
Aus dem pulsierenden Zentrum New Yorks flüchtete er in die ländlicheren Außenbezirke. Die Freizeitidylle der USA in Provinzstädten wie Cape Cod war zeitweise ein beherrschendes Thema. Es folgten Ausflüge in die Porträt- und Architekturfotografie.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York war Meyerowitz einer der wenigen Fotografen, die die Zerstörung und den Wiederaufbau am „Ground Zero“ dokumentieren durften. Daraus entstand das Buch „Aftermath: World Trade Center Archive“. Heute lebt der US-Amerikaner überwiegend in Italien und fotografiert abstrakte Stilleben.
Lernen von den Meister:innen
In dieser Serie des exklusiven Podcasts für die Teilnehmenden von “Abenteuer Reportagefotografie” lernst du legendäre Fotograf:innen kennen – unter anderem auch Joel Meyerowitz. Dabei geht es nicht darum, einen bestimmten Stil zu kopieren. Doch wir sind der Meinung, dass die Beschäftigung mit anderen Ideen, Herangehensweisen und Biografien zentral für die Entwicklung eines eigenen Stils ist.
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