Die Kunst des visuellen Geschichtenerzählens

Reportagefotografie

Nichts ist phantastischer als die Wirklichkeit.
— Egon Erwin Kisch

Reportage: Was macht diese Erzählform so besonders? Und wie kann sie in der Fotografie effektvoll eingesetzt werden?

Die Reportage gilt als Königsdisziplin unter den nicht-fiktionalen Erzählformen. Sie wirkt dadurch etwas entrückt, auf einem Sockel stehend. Dabei ist sie keinesfalls nur Profis und Ausnahmekönnern vorbehalten, sondern steht allen offen, die bessere Geschichtenerzähler werden möchten.

Wenn von Fotoreportagen die Rede ist, bedeutet das im weitesten Sinne das Erzählen von Geschichten in mehreren Bildern. Die Grenzen zu Dokumentationen, Essays oder Serien sind oft fließend.

Was ist eine Reportage?

Das Wort »Reportage« stammt vom lateinischen Verb »reportare«, was »berichten« oder »melden« bedeutet. Der Reporter begibt sich an Orte und erzählt stellvertretend, was dort gesehen und erlebt wurde. Dies kann mit Worten oder im Fall der Reportagefotografie mit Bildern geschehen.

Ziel einer Reportage ist es, einen möglichst lebhaften Bericht von einem Ereignis zu liefern, bei dem der Betrachter nicht anwesend war. Der Rezipient sollte sich in die Situation hineinversetzen können. Eine Fotoreportage kann es im besten Fall schaffen, nicht nur visuell stimulierend zu sein, sondern auch andere Sinneseindrücke zu wecken.

Wikipedia definiert Reportage wie folgt:

“Dem Reporter ist es – im Gegensatz zum Verfasser von Nachrichten oder Berichten – erlaubt, Fakten durch eigene Eindrücke zu ergänzen, die er – oft bei Anwesenheit am Ort des Geschehens – gesammelt hat. Idealerweise erzählt er, ohne dabei zu werten oder zu kommentieren, auch nicht durch Weglassen. Er beschränkt sich auf eine narrative Funktion.”

In Reportagen mischen sich demzufolge Fakten mit persönlichen Eindrücken und Empfindungen. Eine gewisse subjektive Färbung lässt sich nicht vermeiden. Das beginnt mit der Wahl des Motivs und zieht sich durch jede Entscheidung des Reporters, wie die Ereignisse gewichtet, zueinander in Beziehung gesetzt und letztlich präsentiert werden.

Gerade im Journalismus wird der Anspruch an objektive Berichterstattung hochgehalten. In der Praxis ist dies allerdings ein kaum zu erreichendes Ideal. Wichtiger ist daher die Redlichkeit des Reporters. Er ist sich bewusst, welchen Einflüssen er unterliegt, und macht diese transparent.

Magnum-Fotograf David Hurn formulierte sein Selbstverständnis wie folgt:

I think of myself as a reportage photographer. (…) It implies a personal account of an observed event with connotations of subjectivity but honesty. It is eye-witness photography.
— David Hurn

Eine Reportage ist eine durch die Sinne des Reporters wahrgenommene und gefilterte Geschichte. Je unmittelbarer der Reporter im Geschehen steckt, desto besser.

Von Robert Capa stammt der oft zitierte Satz:

“Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.”

Das bedeutet, sich ins Leben zu stürzen und keine Scheu zu haben. Diese Nähe kann sich nicht nur auf die physische Distanz beziehen, sondern auch emotionaler Natur sein. Je stärker der persönliche Bezug zu einem Thema, desto leidenschaftlicher wird dies in den Bildern umgesetzt.

Henri Cartier-Bresson definierte die Fotoreportage als eine “Zusammenarbeit von Intellekt, Auge und Herz”.

Dieser Dreiklang aus scharfem Verstand, wachen Sinnen und emotionaler Bindung führt zu Bilderstrecken, die nicht nur das Interesse anderer wecken, sondern auch einen besonderen Platz in der eigenen Erinnerung an wichtige Ereignisse einnehmen.

Die spannendsten Geschichten schreibt das Leben selbst.

Ein wacher Blick auf die kleinen Dinge des Alltags reicht oft aus, um neugierig zu machen und interessante Themen für eine Reportage zu finden. Sensibilität nimmt jedoch ab, je vertrauter die Abläufe und Menschen sind. Das bedeutet aber nicht, dass sie weniger Aufmerksamkeit verdienen. Im Gegenteil: Die Reportagefotografie kann helfen, die direkte Umgebung bewusster und intensiver wahrzunehmen. Der Autopilot sollte ausgeschaltet und Momente bewusst in ihrer Schönheit registriert werden.

Die Wirklichkeit kann verzaubern, scharfe Sinne genügen, um das aufzusaugen, was um einen herum passiert. Mit der Reportage werden Geschichten erzählt, die das Leben selbst schreibt. Dafür muss nicht an exotische Orte gereist oder sich in Krisengebieten Gefahren ausgesetzt werden. Auch in der unmittelbaren Umgebung warten packende Geschichten darauf, erzählt zu werden. Die Kamera ist ein wunderbares Werkzeug, den Fokus wieder stärker auf den Nahbereich zu richten.

Es lohnt sich, solche Geschichten zu erkennen und mit den Methoden der Reportage und des visuellen Storytellings umzusetzen. Ein Sonntagsfrühstück oder ein Ausflug zum Pilzesammeln im Wald kann dokumentiert und eine Geschichte in mehreren Bildern erzählt werden. Statt flüchtiger Aufnahmen schaffen Reportagen oder kleine Bildserien nachhaltige Erinnerungen.

Mit jeder einzelnen Bildserie wird die Wahrnehmung von uns und unserem Leben geformt.

Welche Arten der Reportage gibt es?

In der Reportage gibt es eine große Vielfalt an Erzählformen. Die Grenzen sind oft fließend und der thematische Rahmen variiert. Der englische Fotojournalist und Autor Michael Freeman listet in seinem Buch “Die fotografische Story”* folgende acht Reportagearten auf:

  • Menschen

  • Ort

  • Making-of

  • Güter und Rohstoffe

  • Aktivität

  • Sammlung

  • Institutionen, Organisationen, Verbände

  • Konzept

Entscheidend ist die Perspektive:

  • Steht der Mensch im Zentrum der Reportage?

  • Oder geht es eher um den Prozess, wie etwas gemacht wird?

Auch eine abstraktere Herangehensweise mit einem Ort als Protagonisten ist denkbar.

Die unterschiedlichen Kategorien geben eine Struktur vor, in der man sich entfalten kann. Wichtig ist, den Fokus und die Perspektive zu wählen.

Ein Thema lässt sich auf vielfältige Weise darstellen, und dieser schöpferische Spielraum sollte genutzt werden.

Es kann helfen, schon eine gewisse Vorstellung von der Reportageart zu haben, wenn man sich ins Geschehen stürzt. Der Fokus sollte beim Fotografieren dennoch auf die Methodik gelegt werden. Der Inhalt bestimmt die Form, und erst danach sollte über das »Wie« nachgedacht werden. Wichtig ist, genügend abwechslungsreiches Bildmaterial zu sammeln.

Anknüpfend an die acht Reportagearten, die Michael Freeman vorstellt, haben wir die Kategorien in unserem Buch “Mit Bildern Geschichten erzählen” etwas enger gefasst und an W-Fragen ausgerichtet:

  • Wer? Es geht um Menschen (oder Tiere), die etwas tun oder erleben. Die Geschichte wird entlang der Protagonisten erzählt. Ziel ist es, ihr Wesen und ihren Charakter herauszuarbeiten.

  • Wo? Auch ein Ort mit seiner eigenen Atmosphäre kann zum Thema einer Reportage werden.

  • Was? Menschen sind beteiligt, entscheidender ist aber die Tätigkeit, der Gegenstand einer Handlung oder das Ergebnis eines Prozesses. Auch die Art und Weise, wie etwas gemacht wird, kann im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Reportagen können sehr zeitintensiv sein.

Der Umfang ist nicht klar definiert.

  • Wo fängt man an?

  • Was wird abgebildet?

  • Wo hört man auf?

Diese Fragen können nur individuell beantwortet werden.

Es gilt, das richtige Maß zu finden und mit realistischen Erwartungen an die Aufgabe heranzugehen.

Die kreative Freiheit sollte als Chance begriffen werden. Es kommt darauf an, ins Leben einzutauchen, zu beobachten, zu interpretieren, zu reflektieren und dann die richtige Erzählform zu wählen.

Behind the Reportage

"Show, don't tell": Wir sprechen unheimlich gerne über Reportagen. Regelmäßig nehmen wir dich mit in unsere Praxis.

FAQ

Reportagefotografie – was ist das?

Wer an Reportagefotografie denkt, denkt oft an exotische Länder oder Krisenregionen. Die großen Themen und die Menschen, die darüber berichten, beherrschen die Schlagzeilen. Doch das ist nur ein Aspekt. Reportagefotografie findet nicht nur unter Gefahren an fernen Orten statt. Auch vor der eigenen Haustür warten Geschichten darauf, erzählt zu werden. Lerne sie zu erkennen und umzusetzen.

Was will die Reportagefotografie?

Ziel einer Reportage ist es, jemandem, der nicht dabei war, einen möglichst lebhaften Bericht von einem Ereignis zu liefern. Der Rezipient sollte sich in die Situation hineinversetzen können. Im besten Fall schafft es eine Foto-Reportage, nicht nur visuell stimulierend zu sein, sondern auch andere Sinneseindrücke zu wecken.

Wikipedia definiert Reportage wie folgt:

"Dem Reporter ist es – im Gegensatz zum Verfasser von Nachrichten oder Berichten – erlaubt, Fakten durch eigene Eindrücke zu ergänzen, die er – oft bei Anwesenheit am Ort des Geschehens – gesammelt hat. Idealerweise erzählt er, ohne dabei zu werten oder zu kommentieren, auch nicht durch Weglassen. Er beschränkt sich auf eine narrative Funktion."

Welche Kamera ist die beste für Reportagefotografie?

Die Frage, welche Kamera für die Reportagefotografie am besten ist, ist nicht ganz einfach zu beantworten. Es hängt davon ab, wo und mit welchen Zielen du fotografierst.

Grundsätzlich gilt aber, dass du bei der Wahl deiner Ausrüstung für die Reportagefotografie darauf achten solltest, dass du wendig und flexibel bist. Wie in der Street Photography passiert auch in der Reportage alles sehr schnell und du musst spontan Entscheidungen treffen.

Um möglichst mobil zu bleiben, sind kleine, kompakte und robuste Kameras zu verwenden. Die Fujifilm X-Serie zum Beispiel mit einer 23mm-Festbrennweite (F2) ist eine hervorragende Reportage-Kamera.

Welche Objektive eignen sich am besten für die Reportage?

Auch hier gilt wie für die Kamera: Je kleiner und unauffälliger, desto besser. Die meisten Reportagefotografen setzen auf lichtstarke Festbrennweiten im Weitwinkelbereich von 23mm bis 35mm. Du bist dadurch gezwungen, nah an deine Motive heranzugehen. Das wiederum wird sich in der Qualität deiner Bilder zeigen.

Wie sagte schon der legendäre Mitgründer der legendären Fotoagentur Magnum, Robert Cappa: "Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran."

“Sketchnotes”

Du möchtest regelmäßig Tipps erhalten, wie du visuelles Storytelling gezielt in deiner Street- und Reportagefotografie einsetzen kannst

Dann abonniere unsere “Sketchnotes”.

Wie der Name schon sagt: Es sind Notizen aus unserer Praxis, die dir helfen, ein besserer visueller Geschichtenerzähler zu werden. Ob Interviews, Buchbesprechungen oder Einblicke in unsere Projekte und neue Workshop-Termine:

Der “Sketchnotes”-Newsletter liefert dir kreative Impulse und Motivation, die Welt mit der Kamera zu entdecken.

Tauche ein in die Welt des Visual Storytelling mit unserem umfassenden Videokurs. Hier kannst du in deinem eigenen Tempo selbstständig lernen und dich kreativ entfalten.

Das könnte dich auch interessieren