Mit der Kamera an der Seite von Fidel Castro, Street Photography in Havanna und weitere Geschichten aus Kuba

Roberto Chile und eines seiner ikonischen Bilder von Kubas früheren Staatschefs Fidel Castro. © Thomas B. Jones

Der Podcast meldet sich aus der kreativen Pause zurück. Das Thema dieser Episode: Kuba. Besonders freue ich mich, Thomas B. Jones als Co-Moderator an meiner Seite zu haben.

Gemeinsam haben wir Anfang 2023 einen Monat in Havanna verbracht. Viele Geschichten haben wir noch nicht richtig erzählt. Das holen wir jetzt nach. Wir blicken zurück auf eine ereignisreiche Reise und beleuchten die aktuellen Entwicklungen im Land. Freue dich auf unsere persönlichen Einblicke in Kuba, ein Land, das uns sowohl fotografisch als auch kulturell fasziniert hat und weiter beschäftigen wird.

Ein besonderes Highlight dieser Folge sind unsere Begegnungen mit zwei bemerkenswerten Fotografen: Roberto Chile, einem renommierten Fotojournalisten, und Nando, einem talentierten jungen Fotografen.

Roberto, der Fidel Castro mehr als drei Jahrzehnte lang begleitete, erzählt von seinen Erfahrungen und gibt Einblicke in die Welt der kubanischen Fotografie, die weit über die reine Dokumentation hinausgeht. Wir sprechen über die Bedeutung des „Warum“ in der Fotografie und die Notwendigkeit, sowohl technisch versiert als auch künstlerisch ausdrucksstark zu sein.

Im Kontrast dazu steht Nando, der seine ersten Schritte in der Konzertfotografie machte und von seiner persönlichen Reise zur Fotografie berichtet. Er beschreibt die Herausforderungen, denen sich junge Fotografen heutzutage in Kuba stellen müssen, und wie er trotz wirtschaftlicher Widrigkeiten kreativ bleibt und seine visuelle Sprache stetig weiterentwickelt.

Beide Interviews zeichnen ein Bild der lebendigen fotografischen Szene Kubas.

Außerdem sprechen wir über unsere Projekte der letzten Monate und unsere Weiterentwicklung im Bereich der Fotografie, speziell der Street Photography. Anhand von einigen Bildern, die wir auf den Straßen Havannas gemacht haben, nehmen wir dich mit in unsere Gedankenprozesse und erzählen die Geschichten hinter dem Foto.

Marco Larousse, Streetfotograf aus Hamburg und Mitgründer des “German Street Photography Festivals” berichtet von einem Pop-Up-Festival, das er in Kooperation mit der laif-Foundation auf die Beine gestellt hat.

Unter dem Motto „Zeigen was ist“ thematisiert das Festival die Kraft der Fotografie, ihre Fähigkeit zu dokumentieren, zu inspirieren und den Blick für die Realität zu schärfen – gerade in Zeiten von Desinformation, Deepfakes und KI. Vom 21. bis 31. November öffnet das Festival im Jupiter-Gebäude am Beginn der Mönckebergstraße direkt gegenüber des Hamburger Hauptbahnhofs auf 1.400 qm seine Türen für Ausstellungen, Vorträge, Screenings und interaktive Aktionen.

Es bietet Raum für Begegnungen und den Austausch zwischen Dokumentarfotografen, Content Creators, Street Fotografen, Profis, Amateuren und allen Fotobegeisterten.

Neue Workshops 2025

Zum Abschluss werfen Thomas und ich einen Blick auf kommende Projekte und geplante Workshops.

Der Kalender für 2025 ist schon gut gefüllt, wenn du mit uns auf Reisen gehen möchtest, um an deiner Fotografie zu arbeiten.

Neben unseren Street-Photography-Workshops in Kooperation mit Calumet sind neue Ziele hinzugekommen.

Helsinki und Lissabon sind weiterhin im Programm.

Darüberhinaus bieten wir unsere 5-tägigen Erlebnisworkshops nun auch in Südfrankreich, Wien, Prag und Porto an.

Interview mit Marco Larousse

Marco Larousse, hier beim “German Street Photography Festival” auf der PHOTOPIA 2023, ist Initiator des Pop-Up-Festivals “Zeigen was ist”. © Kai Behrmann

Da die PHOTOPIA dieses Jahr in Hamburg ausfällt, hat Marco Larousse in Kooperation mit der laif-Foundation an einer Alternative gearbeitet, um der Fotografie in Hamburg und darüber hinaus eine Bühne zu bieten.

Die Idee des Pop-Up-Festivals ist es, spontan einen Ort zu gestalten, an dem Fotografie über einen Zeitraum von zehn Tagen gefeiert werden kann.

Die Veranstaltung findet vom 21. bis 30. November 2024 im Jupiter Kulturkaufhaus, dem ehemaligen Karstadt Sport und Spiel an der Mönckebergstraße 2-4, statt.

Diese Location, direkt gegenüber dem Hauptbahnhof, bietet 1400 Quadratmeter Ausstellungsfläche – eine seltene Chance für Dokumentarfotografie und Fotojournalismus.

Das Festival steht unter dem Motto „Zeigen, was ist“ und widmet sich authentischer Fotografie mit einer Vielzahl von Programmpunkten:

  • Fotoausstellung: 20 Fotografen präsentieren Arbeiten zu den Themen Klimawandel, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Chancengleichheit. Viele der Teilnehmenden stammen aus dem laif-Umfeld, es sind jedoch auch externe Fotografen vertreten. Eine besondere Ausstellung ist die Langzeitserie „Tropical Ice“ von Barbara Dombrowski, die den Klimawandel in besonders betroffenen Regionen dokumentiert.

  • Junge Talente: Die Ausstellung „Jugend fotografiert Deutschland“ bietet Einblicke in die Sichtweisen der jungen Generation und zeigt eindrucksvoll, wie diese aktuelle Themen und alltägliche Herausforderungen wahrnimmt.

  • Fotoslams und Vorträge: Geplant sind zwei Fotoslams an den Samstagen (23. und 30. November), moderiert von Marco Larousse, Siegfried Hansen und möglicherweise Martin U Waltz aus Berlin. Dabei werden anonym eingesendete Fotos humorvoll und unterhaltsam auf der Bühne besprochen – eine Mischung aus Poetry-Slam und Stand-up-Comedy.

  • Fotorallye: Über den Zeitraum von zehn Tagen können Teilnehmende Fotos von Orten in Hamburg einreichen, die besser genutzt werden könnten. Ziel ist es, spannende und dokumentarische Einblicke zu schaffen.

  • Netzwerken und Austausch: Neben den Ausstellungen und Programmpunkten gibt es zahlreiche Möglichkeiten zum Austausch. Sitzgelegenheiten und Bereiche zum Treffen und Vernetzen werden eingerichtet – wie bei früheren Festivals ein zentraler Aspekt.

Die Vernissage findet am Donnerstag, den 21. November, um 19 Uhr statt.

Zusätzlich sei auf den Wettbewerb „Jugend fotografiert“ hingewiesen, dessen Einreichungsfrist bis zum 30. März 2025 verlängert wurde.

Interview mit Roberto Chile

Auf seiner Terasse nahm sich Roberto Chile Zeit, ausführlich über seine bewegte Karriere als Dokumentarfilmer und Fotograf für Fidel Castro zu sprechen. © Thomas B. Jones

Ich bin weit davon entfernt, mich als Meister zu bezeichnen. Ich sehe mich vielmehr als einen ewig Lernenden. (...) Unser Streben ist wie das Zirpen eines Grashüpfers im Wald – ob wir verstummen oder weitermachen, der Wald bleibt derselbe. Und dennoch möchten wir „singen“ und unseren kleinen Beitrag leisten zum Chor der Stimmen, die diesen Wald mit Leben füllen.
— Roberto Chile

Roberto Chile, ein bekannter kubanischer Fotograf und Filmemacher, empfing uns in seinem Haus in einem ruhigen Wohnviertel von Havanna.

Chile, der über 30 Jahre lang den kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro auf seinen Reisen begleitete, erzählte uns von seinem Weg zur Fotografie und zum Film, der zunächst gar nicht geplant war.

Ursprünglich wollte Chile Ingenieur werden und hatte einen Abschluss in Nachrichtentechnik.

Ein Schiffsbaustudium in Polen brach er ab, um nach Kuba zurückzukehren, wo er sich an einer Berufsschule für Elektronik einschrieb.

Sein Interesse an der Fotografie erwachte, als er begann, seine Tochter zu fotografieren, wobei er von Anfang an kreative Perspektiven und besondere Lichtverhältnisse suchte.

Später entdeckte er seine Leidenschaft für das bewegte Bild und beschloss, seinen technischen Beruf hinter sich zu lassen und Filmemacher zu werden.

Er schloss sich anderen Filmemachern an und bildete sich autodidaktisch weiter, bis er schließlich Teil eines Teams wurde, das Castro auf seinen Reisen begleitete.

Diese Aufgabe erforderte Hingabe und Mut, denn sie bedeutete, jederzeit bereit zu sein, alle Pläne für spontane Einsätze aufzugeben.

In dieser Zeit lernte Chile nicht nur Castro, sondern auch sein eigenes Volk und dessen Schicksal intensiv kennen. Seine Reisen mit Castro, die ihn in über 30 Länder führten, beinhalteten Momente der Freude, aber auch der tiefen Trauer, etwa bei Besuchen in Katastrophengebieten.

Seine Dokumentarfilme gingen über die politische Begleitung hinaus: Er porträtierte auch kubanische Künstler und andere bedeutende Persönlichkeiten. Diese Arbeit half ihm, einen unverwechselbaren Stil zu entwickeln.

Chile betonte die Bedeutung eines starken „Warum“ und die Suche nach einer künstlerischen Stimme, die über die bloße Beherrschung technischer Aspekte hinausgeht. Zu den wichtigsten Einflüssen gehörte der berühmte Fotograf Alberto Korda, von dem Chile lernte, dass das Wesentliche mit dem Wesentlichen zu tun hat.

Chile machte deutlich, dass Mut und das Streben nach künstlerischer Authentizität entscheidend für den Erfolg als Fotograf oder Filmemacher sind. Ihm sei es immer darum gegangen, Emotionen einzufangen und mit seinen Bildern mehr als nur eine Momentaufnahme zu vermitteln - sei es Freude, Trauer oder Zweifel. Die Fotografie war für ihn ein Mittel, poetische Bilder zu schaffen, die die Phantasie des Betrachters anregen.

Trotz zahlreicher Auszeichnungen, darunter der Nationale Journalistenpreis, verstand er sich nicht nur als Journalist, sondern auch als Künstler, der die Grenzen zwischen Kunst und Reportage verwischte.

Diese Haltung zog sich durch seine gesamte Karriere, in der er stets versuchte, seine eigene Vision in den Vordergrund zu stellen und sich nicht von fremden Einflüssen dominieren zu lassen.

Meine Fotografien sind nicht so grafisch und beschreibend. Vielmehr bemühe ich mich, sicherzustellen, dass jedes Foto in ein Gedicht zusammengefasst werden kann. Ein Foto allein kann keine Geschichte erzählen, aber es kann eine Emotion vermitteln – sei es Schmerz, Freude, Traurigkeit, Zweifel oder Gelassenheit. (...) Obwohl ich den Nationalen Journalistenpreis gewonnen habe und viele Menschen mich für einen Journalisten halten, versuche ich, Journalismus mit Kunst zu verbinden.
— Roberto Chile

Bilder von Roberto Chile

Dokumentarfilme von Roberto Chile

Interview mit Nando

Nando bei der Arbeit mit einem Model in seinem Studio in Havanna. © Thomas B. Jones

Als ich klein war, habe ich nicht manuell fotografiert. Die Kamera war im Automatik-Modus. Was ich aus dieser Zeit wirklich in Erinnerung habe, ist, dass ich es wie ein Spiel betrachtete. Ich spielte mit der Kamera und bewegte mich viel. Ich suchte nach verschiedenen Perspektiven und konnte nicht mehr tun. Die Kamera übernahm alles. Das Einzige, was in meinen Händen lag, war es, einen ansprechenden Winkel zu finden.
— Nando

Nando, ein aufstrebender Fotograf Anfang 20 aus Havanna, beeindruckt durch seine Leidenschaft und Kreativität.

Sein Interesse an der Fotografie wurde durch seinen Vater, einen Fotografen, geweckt, der ihm nicht nur technisches Wissen, sondern auch wichtige Lebensweisheiten vermittelte.

Nach dem Tod seines Vaters im Alter von 17 Jahren übernahm Nando dessen Kameraausrüstung und richtete sich in der Wohnung, die er mit seiner Mutter teilt, sein eigenes Studio ein.

Die Fotografie half ihm, den Verlust zu verarbeiten und wurde zu einem zentralen Bestandteil seines Lebens.

Ein prägendes Werk in seiner künstlerischen Entwicklung war das Buch "El Loco" (“Der Verrückte”) von Khalil Gibran, das ihn im Alter von 15 Jahren inspirierte. Es hinterließ bei ihm viele Fragen und den Drang, diese mit künstlerischen Mitteln zu erforschen.

Das Buch legte den Grundstein für seine künstlerische Philosophie und führte zu seiner ersten bedeutenden Studiofotografie mit demselben Titel.

Nando beschreibt, wie er als Kind die Fotografie spielerisch erlernte, indem er mit der Kamera im Automatikmodus arbeitete und experimentell nach einzigartigen Perspektiven suchte. Diese Herangehensweise beeinflusst auch heute noch seine Konzertfotografie, bei der er ungewöhnliche Blickwinkel einfängt und die Spontaneität des Moments betont.

Obwohl die Fotografie sein Leben bestimmt, sieht Nando sie nicht als Selbstzweck, sondern als Sprungbrett für eine Karriere beim Film.

Ein Workshop in audiovisueller Produktion hat sein Interesse an der Filmkunst geweckt, die es ihm ermöglicht, sich als Künstler umfassender auszudrücken.

Sein langfristiges Ziel ist es, Regisseur oder Kameramann zu werden.

Nando spricht auch über die Herausforderungen, mit denen junge Künstler in Kuba konfrontiert sind.

Die wirtschaftliche Situation erschwert es, sich professionell weiterzuentwickeln, da Materialien wie Kameras und Druckpapier knapp und teuer sind.

Viele Fotografen müssen sich mit minimalen Honoraren begnügen oder auf Tauschgeschäfte zurückgreifen, um ihre Projekte zu realisieren.

Doch die Liebe zur Kunst bleibt, und der kreative Austausch untereinander hilft, trotz widriger Umstände voranzukommen.

Um finanziell überleben zu können, hat Nando sein Portfolio erweitert. Neben Konzert- und Modefotografie fotografiert er Quinceañeras, ein traditionelles Fest, bei dem 15-jährige Mädchen in die Gesellschaft eingeführt werden. Diese Tradition geht auf die Kolonialzeit zurück und hat sich trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten erhalten, wenn auch in veränderter Form.

Gegenwärtig verfolgt Nando in seiner Arbeit einen modernen Ansatz, indem er sich der digitalen Fotografie und einer minimalistischen, zeitgenössischen Ästhetik zuwendet. Trotz der schwierigen Bedingungen bleibt er optimistisch und strebt danach, sich künstlerisch weiterzuentwickeln und seine Visionen zu verwirklichen.

Ich arbeite am liebsten aus der Spontaneität heraus, sowohl technisch als auch kreativ. Zu viel Nachdenken mag ich nicht. Ich möchte, dass das Wissen fließt, solange ich es zuvor erlangt habe. Wenn es darum geht, ein Foto zu machen, wünsche ich mir, dass dieser Fluss auch dort vorhanden ist. Es sollte nicht zu intellektuell wirken, sondern vielmehr eine Manifestation von Kunst, Spiritualität, Ideen und Konzepten sein.
— Nando

Weitere Themen und Links

Thomas: “Die Geschichte hinter dem Bild”

Kai: “Die Geschichte hinter dem Bild”

Fotofleißaufgaben

In dieser Artikel-Serie gibt es einmal pro Monat eine kleine Aufgabe oder inspirierenden Gedanken, der dir dabei hilft, deine Fähigkeiten als Streetfotograf zu schärfen und weiterzuentwickeln.


Unterstützung für “Abenteuer Reportagefotografie”

*Bei einigen der Links auf dieser Website handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Wenn du die verlinkten Produkte kaufst, nachdem du auf den Link geklickt hast, erhalte ich eine kleine Provision direkt vom Händler dafür. Du zahlst bei deinem Einkauf nicht mehr als sonst, hilfst mir aber dabei, diese Webseite für dich weiter zu betreiben. Ich freue mich, wenn ich dir Inspiration für deine Kamera-Abenteuer biete.

Falls du Danke sagen möchtest, kannst du mir per PayPal eine Spende zukommen lassen. Oder du schaust auf meiner Amazon-Wunschliste vorbei. Dort habe ich Dinge hinterlegt, mit denen du mir eine Riesenfreude machen würdest.

Herzlichen Dank für deine Unterstützung!

Kai Behrmann

Hallo, ich bin Kai. Fotografie bedeutet für mich erleben. Es geht nicht nur um das Einfrieren eines Moments, sondern darum, ihn zunächst aktiv zu spüren. Und zwar mit allen Sinnen. Erst dann kommt die Kamera ins Spiel.

https://www.kaibehrmann.net/
Zurück
Zurück

Martin Parr und das Geheimnis guter Fotografie

Weiter
Weiter

Martin Parr, Sebastião Salgado und David Turnley: Fotografisches Staraufgebot beim Festival “La Gacilly – Baden Photo”